Vom Kindsein

Der Flesch. Ein Ort, der Kindheitserinnerungen in mir aufblühen lässt: Vage Bilder an die Alphütte, die sie vor der Renovation war, als meine Grosseltern noch dem Vieh vom Dorf auf die Voralp und die Alp folgten. Dann der Umbau, der uns Kindern als grosses Abenteuer erschien. Einmal umgebaut genoss unsere 6-köpfige Familie das neue kleine Domizil. Im Sommer machten wir lange Tageswanderungen über den Gletscher, am Abend brätelten wir vor dem Hüttchen eine Wurst. Zum Frühstück tranken wir machnmal die frisch gemolkene, noch tierwarme Milch der Ziegen, die auf der Wiese vor dem Haus weideten. Später „tschutteten“ wir mit den Nachbarskindern auf den abgefressenen, an keiner Stelle ebenen Wiesen, mehr dem Fussball den Berg hinterherrennend als Tore schiessend. Wir strolchten durch die „Etzweid“, den Lärchenwald vor dem Haus, wo wir im Spätsommer mit dem „Heitesträhl“ durch die Heidelbeersträucher zogen und die blauen Delikatessen in den hölzernen Rahmen  des Kamms perlen liessen, die Mama später in süsse Konfitüre verzauberte.

Im Winter dann, der aufwärmende, in Kinderaugen nie enden wollende Marsch bis endlich die Skis angeschnallt und wir umso leichter davonflitzen konnten. Die Sprünge vom Balkon, nach denen wir uns wieder und wieder aus dem brusthohen Schnee buddeln mussten. Die Fussstapferei über den „Fleschputz“, das vereiste Hochmoor, durch die wir erheiternde Botschaften hinterliessen. Die Stunden des unermüdlichen Iglubauens, in welchem wir schliesslich die heisse Minestra aus dem Topf schlürfen durften. Nach ein paar Tagen im Flesch dann der krönende Heimweg nach Goppisberg auf dem „Fittlebob“, zu deutsch: dem Rutschteller.

 

Gut ein Dutzend Jahre sind seither vergangen. Natürlich ist der Blick zurück stets ein etwas verklärter. Nicht nur ich, auch die Alp ist gewachsen. Sie wurde voller, geschäftiger. Nicht alles gefällt mir mehr auf „meiner“ Alp. Die Bautätigkeit, die das Wallis schweizweit in die Negativschlagzeilen bringt, prägt den Ort. Innert weniger Jahre hat sich der Ort wesentlich verändert. Ich kann mir kaum ausmalen, wie enorm die Veränderung in den Augen meiner 92-jährigen Grossmutter sein muss.

 

Umso mehr schätze ich den Flecken Alp, der von alldem scheinbar nichts merken will. Im Flesch finde ich noch immer die Idylle und Ruhe, die man sich unter „die Berge“ vorstellt und vorstellen dürfen soll. Denn sie schlucken jede Eile, jede überflüssige Sorge, der Föhn verbläst trübe Gedanken, klärt verwirrte Köpfe. Hier, ja, hier hat es selbst der Minutenzeiger nicht so eilig.

 

                                                                                                                         F. Imhof